Transnationale Aspekte von Salafismus und Dschihadismus

Salafismus und Dschihadismus sind ihrem Wesen nach transnational, das heißt, sie überschreiten nationalstaatliche Grenzen. Nach Deutschland sind sie auf transnationalen Wegen gelangt, haben sich in der deutschen Gesellschaft verankert, in ihr weiterentwickelt und sind auch weiterhin grenzüberschreitend verknüpft. Deshalb können beide nicht allein aus nationaler Perspektive betrachtet werden. Die transnationalen Aspekte von Salafismus und Dschihadismus in Deutschland zeigen sich vor allem in der Rolle von Schlüsselfiguren, dem Gebrauch von Sprache(n) und der Bedeutung des Internets.

Film "Transnationale Aspekte" |  Länge 7"16' |  Realisation Philipp Offermann, Julian Junk, Svenja Gertheiss, Thea Riebe |  HSFK 2016

Im salafistischen Spektrum ist die Übertragung arabischer Texte ins Deutsche ein zentraler Baustein der religiösen und ideologischen Identitätsbildung. Die transnationale Einbettung der Bewegung wird außerdem durch persönliche Kontakte hergestellt. So werden angesehene Imame aus dem Ausland nach Deutschland geholt, um hier zu predigen und nationalen Schlüsselfiguren zusätzliche Autorität zu verleihen. National bedeutsamen Personen können wiederum durch Tätigkeiten im Ausland, vor allem im arabischen Raum, weiter an Ansehen gewinnen. Darüber hinaus werden die Reden von Schlüsselfiguren ebenso wie wichtige salafistische Texte über das Internet vermittelt.

Im dschihadistischen Milieu sind Online- und Offline-Welten aufs Engste miteinander verknüpft. Über das Internet erreicht die schriftliche und audiovisuelle Propaganda der Dschihadisten insbesondere ein junges Publikum. Beispielsweise werden ausgereiste Kämpfer als Vorbilder inszeniert. Die professionalisierte Medienarbeit der al-Qa'ida und vor allem des Islamischen Staates findet zunehmend mehrsprachig statt, auch wenn dem Arabischen weiterhin eine Vorrangstellung zukommt. Versuche von Sicherheitsbehörden und anderen Akteuren, dschihadistischer Propaganda durch technische Interventionen (wie dem Löschen von Accounts) Herr zu werden, waren bislang erfolglos. Häufig nutzen Dschihadisten gezielt Internetnachrichten, um Medienaufmerksamkeit zu erzeugen. So kann die Tötung einer Geisel eine Botschaft an das Land darstellen, aus dem die Geisel stammt. Mediale Aufmerksamkeit verstärkt diesen Effekt.

Wichtig für die weitere Auseinandersetzung mit der transnationalen Dimension beider Phänomenen sind die Erforschung der finanziellen Bewegungen, die nach Deutschland hineinfließen, sowie die sorgfältige Auseinandersetzung mit religiösen Alternativen zur entwurzelten Religiosität des Salafismus und Dschihadismus.

Handlungsempfehlungen

  1. Es besteht insbesondere ein hoher Forschungsbedarf im Bereich transnationaler Bewegungen salafistischer Schlüsselpersonen. Auch eine Analyse der Vernetzungen deutschsprachiger Salafistinnen und Salafisten und ihrer Internetpräsenzen im transnationalen Raum (auch über die arabische Welt hinaus) ist dringend erforderlich.
  2. Die finanziellen und ökonomischen Aspekte des Dschihadismus müssen stärker erforscht werden – einschließlich des Waffenhandels und der Waffenlieferungen. Dies gilt ebenso für die finanzielle Förderung salafistischer Aktivitäten aus dem Ausland. 
  3. Ein tolerantes, pluralistisches und demokratieorientiertes Islambild sollte transnational gefördert werden – insbesondere im Internet, um Alternativen zu salafistischen und dschihadistischen Formen des Islams aufzuzeigen. Dies gilt umso mehr, als direkte Löschung und Zensur im Internet sich nicht als nachhaltig erwiesen haben.

Studie

Rüdiger Lohlker, Amr El Hadad, Philipp Holtmann, Nico Prucha 
Transnationale Aspekte von Salafismus und Dschihadismus, HSFK-Report Nr. 5/2016 (HSFK-Reportreihe „Salafismus in Deutschland”, hrsg. von Janusz Biene, Christopher Daase, Svenja Gertheiss, Julian Junk, Harald Müller). [download]